Kleidung aus Papier

Kleidung aus Papier 

Bei Papier denken die meisten an das Material, auf dem sie schreiben oder malen, mit dem sie basteln oder das sie nutzen, um etwas einzupacken. Mit Kleidung bringen vermutlich die wenigsten Papier in Verbindung. Dabei werden schon seit über 1.000 Jahren immer wieder Versuche unternommen, alltagstaugliche Klamotten aus Papier anzufertigen.

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Der Kamiko – ein Papierhemd aus Washi

Die Legende besagt, dass ein japanischer Mönch die erste Kleidung aus Papier angefertigt haben soll. Um saubere Kleidung tragen zu können, wenn er Besucher empfing, soll der Mönch im Jahre 988 n. Chr. Seiten aus den heiligen Schriften Buddhas genommen und daraus ein Hemd angefertigt haben. Der Kamiko, zu Deutsch Papierhemd, war entstanden.

Nachdem auch andere Mönche damit begonnen hatten, Papierhemden zu tragen, verbreitete sich der Kamiko schließlich in allen Schichten der Gesellschaft. Wahrscheinlicher ist aber, dass es japanische Bauern waren, die aus der Not heraus Kleidung aus Papier erfanden.

Kleidung aus Seide konnten sie sich nicht leisten, zudem hätten sie diese ohnehin nicht tragen dürfen. Baumwolle, Leinen und andere Materialien waren oft nicht vorhanden. Papier hingegen stellten die Bauern selbst her und nutzen es als Fensterscheibenersatz, um Wände zu bauen, für Laternen, Schirme und Taschen und für vieles andere mehr. Also lag es nahe, auch Kleidung aus Papier anzufertigen. Als Material für den Kamiko diente Washi.

Washi ist ein sehr stabiles Papier, das aus den Fasern des Maulbeerstrauches besteht. Um das Papier geschmeidiger, unempfindlicher und haltbarer zu machen, wurde es nach einer bestimmten Methode zerknittert und imprägniert. Die Papierhemden wärmten bei Kälte, isolierten gut bei Hitze und hielten sogar Nässe ab. Aber der Kamiko war nicht sehr haltbar, denn er konnte nicht gewaschen und nur wenige Male angezogen werden.

Trotzdem entwickelten sich Papiergewänder zur traditionellen Kleidung von buddhistischen Mönchen in Japan und auch in der Bevölkerung waren Papierhemden beliebt. Dabei trugen die wohlhabenden Japaner aber weiße Papierhemden, während die Papierkleider der armen Bauern eine gelb-bräunliche Farbe hatten.    

Shifu – Kleidung aus gewebten Papierstreifen

Lange nach dem Kamiko wurde in Japan Shifu entwickelt. Im Unterschied zum Kamiko, der aus einem Stück Papier angefertigt wurde, wurden für Papierkleidung aus Shifu Papierstreifen miteinander verwebt. Auch zur Erfindung von Shifu gibt es eine Geschichte.

Demnach soll Anfang des 16. Jahrhunderts ein Spion ein Schriftstück mit einer geheimen Nachricht in Streifen geschnitten haben. Die Streifen soll er zusammengerollt und zu einem Kleidungsstück verwebt haben. Dadurch soll es ihm möglich gewesen sein, das Schriftstück unbemerkt an seinen Bestimmungsort zu bringen. Wahrscheinlich waren es aber wieder die japanischen Bauern, denen die Erfindung von Shifu zuzuschreiben ist.

Um ihre Kleidung haltbarer und stabiler zu machen, kamen sie vermutlich auf die Idee, das Papier in Streifen zu zerschneiden und diese zu dünnen Rollen einzudrehen. Im Laufe der Zeit perfektionierten die Bauern die Technik dann soweit, dass sogar die Verarbeitung mit dem Spinnrad möglich wurde.

Die Herstellung von Shifu wurde später noch weiter verfeinert, nicht zuletzt auch deshalb, weil die hoch angesehenen Samurai bei Zeremonien Trachten aus Shifu trugen. Durch die optimierte Technik wurde Shifu zu einem geschmeidigen und haltbaren Gewebe, das wie ein edler Stoff aussah. Auch in höheren Gesellschaftsschichten war Mode aus dem eleganten Shifu sehr beliebt. Die Tradition der Papierkleidung endete in Japan erst, als im frühen 20. Jahrhundert Baumwolle importiert wurde und sich als Material für Kleidung durchsetzte. 

Kleidung aus Papier in Europa

Im Gegensatz zu Japan war Kleidung aus Papier in Europa lange Zeit komplett unbekannt. Genaugenommen fand in Europa das Gegenteil statt, denn hier wurde Papier aus Kleidung hergestellt. Das Wissen über die Vorgehensweise bei der Papierherstellung war zwar von China über den Orient nach Europa gelangt. Anders als in Asien gab es in Europa aber keine geeigneten Pflanzenfasern.

Deshalb wurden Lumpen und Textilreste als Ersatz verwendet. Aus den zerkleinerten Textilien wurde ein Faserbrei angerührt, aus dem dann die Papierblätter gewonnen wurden. Erst im 18. Jahrhundert gelang es, Papier aus Holzfasern herzustellen. Allerdings war dieses Papier so steif, dass wohl niemand auf die Idee gekommen wäre, Kleidung daraus anzufertigen.

Im 19. Jahrhundert wurden die Rohstoffe in Europa knapp. Baumwolle, Hanf und andere Materialien mussten importiert werden und standen nur in begrenzter Menge zur Verfügung. Dies verhalf dem Papier zu neuen Ehren. Europäisches Papier war zwar hart, steif und verarbeitet zu Kleidung nicht wirklich bequem. Für Teile von Kleidungsstücken wie Kragen oder Manschetten und für kleine Textilien wie Vorhemden eignete es sich aber allemal.

Durch die beiden Weltkriege wurden die Rohstoffe dann noch knapper. Dies führte dazu, dass Papier zu einem noch wichtigeren Ersatzstoff wurde. So wurde das Papier nun zu Garnen verarbeitet, aus denen Schnüre, Stoffe und Spielsachen hergestellt wurden. Im Ersten Weltkrieg entstanden sogar Uniformen aus Papiergarn. Im Zweiten Weltkrieg gelang es, die Papiergarne zu verfeinern und durch eine maschinelle Verarbeitung elastischer und weicher zu machen. Selbst einigermaßen komfortable Unterwäsche konnte so aus Papiergarnen angefertigt werden.

Trotzdem konnte Papierkleidung den Ruf als billiger Ersatz für richtige Kleidung nie abschütteln. Deshalb verschwand Kleidung aus Papier sehr schnell aus den Läden, als Baumwolle, Hanf und andere Rohstoffe für Textilien wieder verfügbar waren.       

Kleider aus Vliesett in den 1960ern

1966 bewarb ein US-amerikanischer Papierhersteller Papierkleider, die gerade einmal 1,25 Dollar pro Stück kosten sollten. Was eigentlich als Gag gedacht war, verhalf dem Unternehmen nicht nur zu gut einer halben Million Bestellungen, sondern löste einen regelrechten Boom aus. Andere Firmen brachten ebenfalls Papiermode auf den Markt, Zeitschriften berichteten über den neuen Trend und selbst Prominente traten in Mode aus Papier auf.

Es sollte nicht lange dauern, bis die Modewelle aus den USA auch Europa erreichte. Dabei fand der Trend vor allem bei der ostdeutschen Regierung großen Zuspruch. Die jüngeren Generationen wünschten sich modische Kleidung, die sie sich bevorzugt aus dem Westen beschafften. Die Papierkleider wurden so zu einer idealen Möglichkeit, einen Modetrend aufzugreifen und durch die eigene Produktion in der DDR vom Westen abzulenken.

Das Material aus dem die Papierkleider bestanden, nannte sich Vliesett. Strenggenommen war es kein reines Papiergewebe, denn um die Haltbarkeit zu erhöhen, wurden Synthetikfasern hinzugefügt. Die Papierkleidchen waren kurz, farbenfroh bedruckt und kostengünstig. Als weitere Vorteile wurde damit geworben, dass die Kleidchen nicht gebügelt werden mussten, leicht geändert werden können und problemlos mit herkömmlichem Klebeband zu reagieren waren. Sogar bis zu fünf Wäschen überstand ein Vliesett-Kleid.

So richtig durchsetzten konnten sich die Papierkleider aber nicht und so war der Trend sowohl in den USA auch als in der DDR recht schnell wieder vorbei.    

Kleidung aus Papier heute

Mode aus Papier reagiert empfindlich auf Nässe, ist nicht lange haltbar und auch bei schnelleren Bewegungen ist Vorsicht geboten. Als Alltagskleidung eignet sich Papierkleidung deshalb nicht. Trotzdem zeigen namhafte Modedesigner immer wieder beeindruckende Kleider, Schuhe, Accessoires und Schmuckstücke aus Papier auf ihren Modeschauen.

Und es ist auch nicht ausgeschlossen, dass der große Durchbruch irgendwann doch noch gelingt – auch wenn Kleidung aus Papier dann vermutlich keine Folge von Rohstoffknappheit, sondern eher vom Versuch des sinnvollen Recyclings sein wird.

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